Jost Hess (Arbeitskreis Asyl) rechnet im Herbst mit weiteren 200 Asylsuchenden im ehemaligen Camp Pitman
Weiden. (cf) Mitte der 80er Jahre schleuderten Unbekannte einen schweren Stein in die Heckscheibe seines Autos, zerstörten den Kinderwagen vor dem Haus, drohten in anonymen Anrufen. Ehefrau Ursula traute sich zeitweise nicht mehr ans Telefon. Nur weil er andere Menschen in Not – nämlich Asylsuchende – unterstützte, zog sich Jost Hess einigen Hass zu. “Inzwischen hat sich in Weiden das Klima zum Besseren verändert”, sagt der heute 68-Jährige.
Damals diente das ehemalige Wohnheim der AWO in der Leimbergerstraße als Unterkunft für Asylbewerber. Der benachbarte Kindergarten zog sogar Stacheldraht auf, so angsterfüllt und aufgeheizt war das Klima, “so negativ das Umfeld”. Hess: “Besonders die Kinder litten unter dieser deprimierenden Situation.” In seinem Vortrag beim Lions Club Weiden sprach Hess von einem “Versagen der damaligen Stadtpolitik”.
Jost Hess initiierte mit seiner Ehefrau Ursula vor 30 Jahren den Arbeitskreis (AK) Asyl und wenig später stellte er die Hausaufgabenhilfe für Flüchtlings- und Migrantenkinder auf die Beine. 70 qualifizierte Betreuer (darunter viele ehemalige Lehrer) kümmern sich heute – täglich bis 20 Uhr – um 260 Kinder: “Kinder, die kein Wort Deutsch sprechen und deshalb zu Außenseitern in der Schule werden.” Weil die intensive Betreuung in dem in Bayern einmaligen Projekt das “intellektuell Mögliche aus den Kindern herausholt”, sind trotz der (anfänglichen) Sprachprobleme Schulabbrecher so gut wie unbekannt. Viele ehemalige Flüchtlingskinder verfügen über einen akademischen Abschluss. Die vom bayerischen Kultusministerium, Stiftungen und von einem zuverlässigen “Spender-Stamm” getragene Betreuung kostet jährlich 600 000 Euro. Von den derzeit 320 Asylbewerbern in Weiden sind 130 im einstigen Camp Pitman untergebracht, wo sich vier Personen – zum Teil unterschiedlicher Nationalität – in 24 Quadratmeter kleinen Zimmern drängen. “Es darf nicht sein, dass wir mit Menschen so umgehen, wie wir uns das selber keinesfalls zumuten würden”, beschreibt Hess die traurigen Zustände und das “äußerst problematische menschliche Klima” in dieser Sammelunterkunft. Er rechnet damit, dass im Herbst dieses Jahres weitere 200 Asylbewerber in Containern auf dem Gelände der früheren US-Kaserne einquartiert werden. “Wegen der einfacheren Kontrolle will die Regierung der Oberpfalz große Sammelunterkünfte.”
Schlepper nur Fluchthelfer?
Im Landkreis Neustadt/WN sind 500 Asylbewerber dezentral untergebracht, der nach Ansicht von Hess “einzig menschenwürdigen” Möglichkeit. Jost Hess, leitender Finanzbeamter a. D., relativiert die Tätigkeit der Schlepper: “Die Schlepper wurden einst Fluchthelfer genannt und bekamen sogar Orden.” Zehn Prozent der Asylbewerber hielten sich unberechtigt in Deutschland auf.
Quelle: Der Neue Tag, 09.04.2015